Tsingy de Bemaraha – Steinwald zwischen Himmel und Erde

Ein Naturwunder aus Kalkstein, das selbst erfahrene Abenteurer staunen lässt

Im abgelegenen Westen Madagaskars, in der Region Melaky, liegt der spektakuläre Tsingy de Bemaraha Nationalpark – ein Ort, wie ihn selbst Vielreisende selten erleben. Die zerklüfteten Kalksteinformationen, die sogenannten „Tsingys“, haben dem Park seinen Namen gegeben. Auf einer Fläche von über 1.500 Quadratkilometern erstreckt sich eine schwindelerregende Karstlandschaft aus spitzen Kalknadeln, tiefen Schluchten und geheimen Höhlen – eine Welt wie aus einem Fantasyfilm. Seit 1990 ist der Park Teil des UNESCO-Weltnaturerbes und gilt als eines der geologisch und ökologisch außergewöhnlichsten Schutzgebiete Afrikas.

Die Tsingys entstanden über Millionen von Jahren durch Erosion – Regen, Wind und unterirdische Flüsse haben die einstige Kalkplatte zu einem dichten Labyrinth aus Felsen und Spalten geformt. Der Name „Tsingy“ bedeutet auf Malagasy sinngemäß „wo man nicht barfuß laufen kann“ – und das ist keine Übertreibung. Zwischen den messerscharfen Felsen wirkt selbst der kleinste Schritt wie eine Kletterpartie. Doch genau das macht den Reiz dieses Parks aus: Er ist wild, unzugänglich – und zugleich atemberaubend schön.

Landschaft wie von einem anderen Planeten

Der nördliche Teil des Parks ist für Besucher zugänglich und bietet eine außergewöhnliche Mischung aus Kalkformationen, Trockenwald, Mangroven und Flusstälern. Besonders beeindruckend ist das sogenannte Grand Tsingy, wo man sich mithilfe von Hängebrücken, Leitern und Seilpassagen durch ein natürliches Labyrinth bewegt. Der Blick von einer der Plattformen über die grauen Felsnadeln, mit grünen Inseln aus Bäumen dazwischen, bleibt unvergesslich. Der Petit Tsingy, etwas näher am Eingang des Parks gelegen, ist leichter zugänglich und bietet dennoch spektakuläre Aussichten, verwinkelte Gänge und gute Chancen auf Tierbeobachtungen.

Auch der Manambolo-Fluss, der sich durch tiefe Schluchten am Rand des Parks schlängelt, ist ein echtes Highlight. Eine Pirogenfahrt in den frühen Morgenstunden führt durch Höhlen, entlang moosbedeckter Felswände und zu alten Begräbnisstätten der Vazimba – der mythischen Urbevölkerung Madagaskars. Die Szenerie wirkt fast surreal und macht deutlich, warum der Park zu den eindrucksvollsten Naturwundern Afrikas zählt.

Umbenennung der UNESCO Stätte in 2023

Die heutige UNESCO-Welterbestätte Andrefana-Trockenwälder wurde 1990 zunächst unter dem Namen „Tsingy de Bemaraha“ in die Liste des Weltnaturerbes aufgenommen. Damit wurde deren markante Kalksteinformationen, die wie steinerne Nadeln in den Himmel ragen, sowie für ihre reiche Artenvielfalt mit zahlreichen endemischen Pflanzen- und Tierarten gewürdigt.

1997 wurde der südliche Teil des Gebiets als Nationalpark Tsingy de Bemaraha ausgewiesen, um den Schutz der einzigartigen Landschaft und ihrer Ökosysteme zu intensivieren.

Im Jahr 2023 erweiterte die UNESCO die Welterbestätte um fünf weitere Naturschutzgebiete im Westen Madagaskars und gab ihr den neuen Namen „Andrefana-Trockenwälder“. Diese Erweiterung trägt der ökologischen und geologischen Vielfalt der Region Rechnung und stärkt den Schutz dieser sensiblen Lebensräume, die zu den bedeutendsten Trockenwald-Ökosystemen der Welt zählen.

Die beste Reisezeit für den Tsingy de Bemaraha Nationalpark

 Die beste Reisezeit für den Tsingy de Bemaraha Nationalpark ist von Mai bis Oktober. In dieser Trockenzeit sind die Wege befahrbar und die Felsformationen gut zugänglich. In der Regenzeit – zwischen November und April – ist der Park aus Sicherheitsgründen komplett geschlossen. Viele Wege und Brücken sind dann unpassierbar, und auch die Zufahrtsstraße wird schnell unzugänglich.

Endemische Tiere zwischen den Kalknadeln

Trotz der kargen Landschaft lebt hier eine erstaunlich vielfältige Tierwelt. Besonders bekannt ist der Park für seine endemischen Lemurenarten, darunter der Deckensifaka, ein weißer, akrobatischer Kletterkünstler, der sich scheinbar schwerelos von Ast zu Ast bewegt. Auch der scheue Westliche Fettschwanzmaki sowie Mausmakis und braune Lemuren sind zu sehen – wenn man Geduld mitbringt.

Darüber hinaus leben hier über 90 Vogelarten, viele davon endemisch, wie der Madagaskar-Fischadler oder der Blaukopftoko. Auch Reptilienfreunde kommen auf ihre Kosten: Zahlreiche Geckos und Chamäleons verstecken sich in den Spalten der Felsen, darunter der spektakulär getarnte Blattschwanzgecko. In den feuchten Schluchten findet man sogar Amphibienarten, die es nur in diesem Mikroklima gibt – ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich Leben selbst unter extremen Bedingungen behauptet.

Ambalavao Anja Reservat Lemur auf Baum
Akanin ny Nofy Lemurenfamilie

Anreise ins abgelegene Abenteuer

 Die Anreise zum Tsingy de Bemaraha Nationalpark ist Teil des Abenteuers. Der nächstgelegene größere Ort ist Morondava, eine Stadt an der Westküste Madagaskars, bekannt für die ikonische Baobaballee. Von dort führt eine abenteuerliche Piste über Bekopaka bis zum Park – eine Strecke von rund 200 Kilometern, die jedoch etwa 8 bis 10 Stunden dauert. Besonders in der Trockenzeit ist die Straße schwer passierbar und nur mit einem geländetauglichen Allradfahrzeug zu bewältigen.

Aktivitäten zwischen Schluchten, Brücken und Booten

Eine Safari im Tsingy de Bemaraha ist nichts für klassische Jeepreisende, sondern ein aktives, intensives Erlebnis. Die Hauptattraktion ist das Wandern und Klettern im Grand Tsingy, ausgestattet mit Klettergurten, Helmen und begleitet von einem zertifizierten Guide. Die Touren dauern zwischen zwei und fünf Stunden – je nach Route und Fitnessniveau. Über schmale Felsstege, tiefe Spalten und spektakuläre Hängebrücken gelangt man zu Aussichtsplattformen, die den Blick über das endlose Meer aus Kalkstein freigeben.

Etwas leichter ist die Erkundung des Petit Tsingy, ideal für Halbtagesausflüge. Wer es ruhiger mag, kann eine Pirogenfahrt auf dem Manambolo-Fluss unternehmen – ein fast meditativer Einstieg in die Landschaft mit Besuch von Höhlen und Begräbnisstätten. Auch Vogelbeobachtung, Fotografie-Touren und kleinere Wanderungen durch den Trockenwald bieten sich an – dabei entdeckt man häufig Lemuren, Chamäleons oder auch Fledermaushöhlen.

Naturschutz und nachhaltiger Tourismus

Der Tsingy de Bemaraha Nationalpark ist ein Paradebeispiel für nachhaltigen Tourismus in Madagaskar. Der Besuch ist stark reguliert – nur ein Teil des Parks ist überhaupt zugänglich. Alle Touren werden von lokalen Guides begleitet, die speziell für dieses einzigartige Gelände geschult wurden. Die Eintrittsgelder fließen direkt in Schutzmaßnahmen und in Entwicklungsprojekte der umliegenden Gemeinden. Auch die Unterkünfte setzen zunehmend auf ökologische Standards, Solarstrom und lokales Personal. So trägt jeder Besuch dazu bei, diese außergewöhnliche Landschaft und ihre Bewohner langfristig zu schützen.

Praktische Hinweise für die Reise

Der Eintritt in den Nationalpark kostet derzeit etwa 65.000 MGA (rund 12 €) pro Person und Tag. Zusätzlich fallen Gebühren für Guides und ggf. für Kletterausrüstung an. Wichtig: Festes Schuhwerk, ausreichend Trinkwasser, Sonnenschutz und körperliche Fitness sind Voraussetzung für die Wanderungen – besonders im Grand Tsingy.

Die Infrastruktur im Park ist zwar einfach, aber gut durchdacht – mit markierten Wegen, Kletterausstattung und Notausstiegen. Wer den Park besuchen möchte, sollte sich rechtzeitig um Unterkunft und Transport kümmern, da die Kapazitäten begrenzt und Fahrten wetterabhängig sind.

Weitere Highlights in der Nähe

Morondava Baobab Allee Kuh

Ein Besuch im Tsingy de Bemaraha lässt sich ideal mit einem Stopp an der Baobaballee bei Morondava verbinden – eine der ikonischsten Landschaften Madagaskars, besonders zum Sonnenuntergang ein unvergessliches Fotomotiv. Auch das Kirindy-Reservat, nur etwa zwei Stunden von Morondava entfernt, bietet spannende Tierbeobachtungen, vor allem nachtaktive Arten wie Fossa oder Mausmakis.

Der Tsingy de Bemaraha Nationalpark ist ein Ziel für echte Entdecker. Wer den Weg auf sich nimmt, wird mit einer Landschaft belohnt, die es so nur einmal auf der Welt gibt – bizarr, wild, geheimnisvoll. Ein Ort, der Abenteuer und Naturschutz auf einzigartige Weise verbindet – und lange im Gedächtnis bleibt.