Einordnung: Kolonialismus in Afrika

Auf jeder Afrikareise werden die Gäste irgendwann mit der Geschichte des Gastlandes konfrontiert. Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass der Kolonialismus noch heute Nachwirkungen auf die Menschen in Afrika hat. Deshalb versuchen wir in diesem Text aus deutscher Sicht ein Bewusstsein für die koloniale Vergangenheit zu schaffen, sowie ein Verständnis für die Menschen der ehemals kolonisierten Länder zu entwickeln.

Inhalt

Die Zeit des deutschen Kolonialismus

Der deutsche Kolonialismus dauerte von 1884 bis 1914 an. Zu den deutschen Kolonien in Afrika gehörten Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Kamerun sowie Togo. Das Leben in den Kolonien war von Zwangsarbeit und Unterdrückung geprägt. Auch heute sind die Auswirkungen des Kolonialismus noch deutlich spürbar. In Deutschland hingegen wird dieser Abschnitt der Geschichte häufig unter den Tisch gekehrt – und das, obwohl das Deutsche Reich das drittgrößte Kolonialreich der Welt war.

Oudtshoorn Kirche

Bismarck und der „Wettlauf um Afrika“

Im Jahr 1884 begann die Zeit des deutschen Kolonialismus unter Otto von Bismarck. Zunächst wurden die eroberten Gebiete „Schutzgebiete“ genannt und sollten durch den Handel der Wirtschaft dienen. Bei der Kongokonferenz, die von 1884 bis 1885 stattfand, standen Weltmachtansprüche auf der Tagesordnung, denn europäische Großmächte beschlossen, wie sie Afrika unter sich aufteilen könnten. Somit war der „Wettlauf um Afrika“, auch „Scramble for Africa“ genannt, in vollem Gange und brachte schwerwiegende Auswirkungen für den Kontinent mit sich, der bei diesen Entscheidungen außen vorgelassen wurde. Ab dem Jahr 1891 wurden die Gebiete von deutschen Gouverneuren geführt und so entstanden nach und nach koloniale Wirtschafts- und Sozialstrukturen. Ab 1900 entwickelte die deutsche Außenpolitik ein Streben nach Macht in der ganzen Welt.

Mimikry in deutschen Kolonien

Das Wort „Erziehung“ spielte während des Kolonialismus durchgängig eine große Rolle. Die Kolonisierenden sahen sich befähigt, über die Kolonisierten und deren Entwicklung zu entscheiden und aktiv in das bisherige Leben einzugreifen. Diese Denkweise war stark evolutionistisch geprägt, da sie davon ausging, dass alle Gesellschaften eine unilineare Entwicklung durchlaufen würden, aber zu verschiedenen Zeitpunkten an unterschiedlichen Punkten sein würden. Europa wurde dabei als am weitesten fortgeschritten angesehen, sodass die Kolonisierenden es für nötig hielten, die Kolonien in die gleiche Richtung zu „entwickeln“ und die Menschen dahingehend zu „erziehen“. Damit ging auch die Anpassung der Kolonisierten an die Kolonisierenden einher und es entstand eine deutsche Lebensweise in den Ländern. Auch die Christianisierung sowie der Bau deutscher Schulen, Eisenbahnlinien, Häfen, Straßen und anderer Infrastruktur sind an dieser Stelle nicht zu vergessen. Homi Bhabha hat dabei den Begriff der Mimikry geprägt. Dieser Begriff, der eigentlich aus der Tierwelt stammt, beschreibt ebendiese Anpassung der Kolonisierten an die Kolonisierenden, wobei es nicht zur vollständigen Anpassung kommen dürfe. Den Kolonisierten wurde keine Agency, also keine Handlungsmacht, zugestanden, stattdessen wurden sie von den Deutschen ausgebeutet und versklavt.  

Deutsche Kolonien in Afrika

Die Deutschen Kolonien in Afrika hießen Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Togo und Kamerun

Deutsch-Südwestafrika

Deutsch-Südwestafrika war von 1885 bis 1919 eine deutsche Kolonie. Diese umfasste das heutige Namibia. Die Herero, ein südwestafrikanisches Hirtenvolk, setzten sich der Ausbeuterei in der Kolonie im Jahr 1904 entgegen. Am 12. Januar begannen sie unter Samuel Maharero den Widerstand gegen die Deutschen. Diese sahen sich dadurch in ihrer Macht angegriffen und es kam am 11. August 1904 zur Schlacht am Waterberg. Lothar von Trotha ließ die Herero anschließend in die Wüste Omaheke treiben und sorgte dafür, dass sie keinen Zugang mehr zu Wasser hatten. So starben rund drei Viertel der Herero bei dem von Lothar von Trotha initiierten Genozid. Die Überlebenden wurden in „Konzentrationslager“ gebracht. Viele von ihnen mussten hier durch menschenunwürdige Lebensbedingungen, Krankheit oder sexualisierte Gewalt sterben.

Auf die gleiche Weise kam es zum Völkermord an den Nama. Sie setzten sich kurz nach den Herero zum Widerstand und etwa 50 Prozent der Nama mussten dafür mit ihrem Leben zahlen. Die Peitsche und die Bibel ihres Anführers Hendrik Witbooi wurden anschließend mit nach Europa genommen und erst 2019 nach Namibia restituiert. Bis dahin waren sie im Stuttgarter Lindenmuseum ausgestellt.

Im Jahr 1908 wurde der Widerstandskrieg in Deutsch-Südwestafrika für beendet erklärt. Erst 2016 erkannte die deutsche Bunderegierung das Geschehene als Völkermord an.  

Heute hat etwa ein Prozent der in Namibia lebenden Menschen neben der namibischen Staatsangehörigkeit auch eine deutsche. Somit ist der Einfluss der Kolonialzeit in Namibia auch heute noch spürbar. Es gibt deutsche Schulen, deutsche Zeitungen und einen deutschen Radiosender. Zudem wurden deutsche Feste wie das Oktoberfest übernommen. Viele in Namibia lebende Personen, vor allem in der Tourismusbranche, sprechen deutsch als Zweit- oder Drittsprache.

Windhoek Christuskirche
Namibia Architektur

Deutsch-Ostafrika

Die ehemalige Kolonie Deutsch-Ostafrika umfasst die heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda. Deutsch-Ostafrika war fast doppelt so groß wie das Deutsche Reich. Von 1885 an war Deutsch-Ostafrika eine deutsche Kolonie. Zum Erwerb der Kolonie schloss der deutsche Kolonisator Carl Peters zweifelhafte Verträge mit der damaligen Bevölkerung ab, die diese entweder per Kreuzchen oder über einen Handschlag „unterschrieben“. Bei fehlender Einwilligung setzte Peters Gewalt ein. Er wirkte mit seiner rassistischen Einstellung auch beim Aufbau der Kolonie mit.

Auch in Deutsch-Ostafrika kam es zu Widerstand. Unter Hassan Buschiri kam es von 1887 bis 1889 beispielsweise zum sogenannten Araberaufstand. Gewaltvoll wurde dieser vom deutschen Kolonisator Hermann von Wissmann niedergeschlagen. Er schlug auch zwei Jahre später den beginnenden Aufstand der Wahehe unter Mkwawa nieder. 1905 folgte der Maji-Maji-Krieg, der zwei Jahre andauerte. Über eine Viertel Million Menschen starb während dieses Krieges, der sich durch die Unterdrückung und die zahlreichen Verbote den Kolonisierten gegenüber entwickelte.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Kolonie zwischen Großbritannien und Belgien aufgeteilt.

Togo und Kamerun

Togo war die kleinste Kolonie des deutschen Reiches in Afrika. Seit 1884 war das westafrikanische Land eine deutsche Kolonie, bis Deutschland Togo kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges als Kolonie verlor. Ein Skandal in Togo kann stellvertretend dafür gesehen werden, dass die Kolonien einen Raum für Gewalt darstellten. Dem Kolonialbeamten Geo Schmidt wurde dabei vorgeworfen, in Togo eine Kolonisierte vergewaltigt zu haben. Dieser Fall sorgte für Empörung unter den Deutschen, kann jedoch keinesfalls als Einzelfall gesehen werden.

Von 1884 bis 1916 war auch Kamerun eine deutsche Kolonie. Während des ersten Weltkriegs wurde Kamerun dann unter Großbritannien und Frankreich aufgeteilt. Die Brücke von Edea wurde vor über 100 Jahren durch die deutschen Kolonisierenden errichtet und ist heute noch in gutem Zustand. Dass die koloniale Zeit auch heute noch andauert, zeigt beispielsweise der Schiffsschnabel Tange aus Kamerun. Er wurde von einem deutschen Kolonisator geraubt und steht auch heute noch im Münchner Museum Fünf Kontinente – und das, obwohl es schon zur Forderung nach Restitution kam. 

Die heutige Lage

Kirche in Lüderitz

Mit dem ersten Weltkrieg endete die deutsche Kolonialzeit. Nur kurz nach Beginn des Krieges fielen die ersten deutschen Kolonien an andere Kolonialmächte.  

Auch heute noch sind die Nachwirkungen des Kolonialismus deutlich zu spüren. Ethnologische Museen in Deutschland strotzen nur so vor kolonialen Raubgütern. Die oft ungeklärte Provenienz bleibt intransparent und Forderungen nach Restitution werden nur selten erfüllt.  

An der Aufarbeitung des Kolonialismus und an Reparationszahlungen mangelt es nach wie vor. Da das Wissen über den Kolonialismus in Deutschland viel zu oft in Vergessenheit gerät, sind sich viele nicht darüber bewusst, was der Kolonialismus für ein schmerzhaftes Thema für diejenigen, die in den Ländern leben, die früher deutsche Kolonien waren, darstellt.

Umso wichtiger ist es, dass Sie sich der kolonialen Vergangenheit und dessen, dass der Kolonialismus auch heute noch reale Auswirkungen hat, bewusst sind, wenn Sie Ihren Urlaub nach Afrika planen.